Lohnt sich Photovoltaik für eine Dialyse?
Erste Erfahrungen und Daten mit unserer eigenen Anlage

Ich möchte einen kurzen Bericht aus unserer unmittelbaren Erfahrung der ersten Monate mit einer Photovoltaikanlage in der Dialyse auf den Dächern unseres Stammsitzes in Emsdetten teilen. Mein Name ist Christian Meyer zu Altenschildesche. Ich bin seit 1994 an Bord und heute technischer Leiter bei den Nephrologischen Zentren Münsterland GbR, ÜBAG. Es handelt sich um eine Gesellschaft mit neun Standorten, die sich über das gesamte Münsterland verteilen. Angefangen hat alles 1975 in Emsdetten, als hier das erste Dialysezentrum gründet wurde. Es war das 23. Dialysezentrum in Deutschland. Heute kümmern sich 13 ärztliche Gesellschafter, fünf angestellte Ärzte und ca. 280 Mitarbeiter um die Patienten und führen u. a. 110.000 Dialysebehandlungen pro Jahr durch.
Der Standort Emsdetten
Am Standort in Emsdetten finden 16.000 Dialysebehandlungen im Jahr statt. Hier befindet sich die Zentrale für Lager und Logistik, die Technik sowie eine Wäscherei für alle neun Zentren. Damit kommen wir allein in Emsdetten auf einen jährlichen Stromverbrauch von 165.000 kWh. Dieser Wert ist überraschend stabil über die letzten 10 Jahre und ermöglicht uns den Energiebedarf für die Zukunft sehr gut vorauszusehen. Mit diesen Voraussetzungen haben wir uns die Frage gestellt, ob sich Photovoltaik (PV) für eine Dialyse lohnt. Und ich möchte schon gleich die Antwort vorwegnehmen:
Es gibt keinen Grund, nicht von einer Photovoltaikanlage zu profitieren!
Für uns in den Nephrologischen Zentren Münsterland steht lange schon fest, dass die Dialyse nachhaltiger werden muss. So setzen wir schon seit Jahren mehrere Maßnahmen um, wie z. B. das Mischen von Konzentrat vor Ort oder auch den Betrieb der Dialysegeräte im Auto flow Modus. Vor dem Schritt, nun auch in Photovoltaik zu investieren, galt es jedoch einige Fragestellungen zu klären:
- Wie gehe ich mit Stromüberschüssen um?
- Wie groß soll bzw. muss die Anlage sein?
- Welche Ausrichtung (Süd vs. Ost / West) ist für eine Dialyse sinnvoll?
- Thema Kosten: Ab wann rechnet sich die Anlage?
- Wie kann ich den Eigenverbrauch erhöhen und die Einspeisungen senken?
Freiberufler dürfen keine gewerblichen Einkünfte erzielen Es bietet sich an, die Frage zu Stromüberschüssen rechtzeitig zu klären. Als Freiberufler darf man keine gewerblichen Einkünfte erzielen. Es gibt eine Freigrenze von 24.000 € pro Jahr (zumindest ist das der Fall in Nordrhein-Westfalen), diese ist jedoch nicht gesetzlich verankert und deshalb kann man daraus keinen Rechtsanspruch ableiten.
Abb. 1 Die Dachfläche unserer Dialyse in Emsdetten aus der Vogelperspektive.
Oft wird diese Grenze auch bereits durch Inventarverkäufe oder Inzahlungsnahme ausgeschöpft. Von daher könnten Erlöse durch Einspeisung von Stromüberschüssen selbst bei kleinen ausgezahlten kWh-Preisen bereits zu Problemen führen.
Deshalb sind wir folgenden Weg gegangen: Wir benötigen von unserem Finanzamt eine rechtsverbindliche Auskunft, die besagt, dass der PV-Strom kostenfrei eingespeist werden darf. Damit konnten wir im Anschluss mit dem Netzbetreiber einen Vertrag schließen, der uns eine kostenfreie Einspeisung des Überschusses ermöglicht. Wem diese bürokratischen Hürden zu hoch sind, kann alternativ auch über eine Nulleinspeisung über die PV-Steuerung direkt nachdenken, dies geht allerdings mit etwas höheren Kosten einher.
Leistung der PV-Anlage mindestens 20 % über Spitzenlast
Die nächste Entscheidung, die wir treffen mussten, bezog sich auf die Größe der Photovoltaikanlage. Bei dieser Frage muss man sich mit ein paar Randbedingungen auseinandersetzen:
Abb. 2 Simulation der Ausrichtung einer PV-Anlage auf dem Dach der Dialyse Emsdetten nach Süden
Abb. 3 Simulation einer PV-Anlage auf dem gleichen Dach der Dialyse Emsdetten mit OST-WEST Ausrichtung
- Wie hoch ist der maximale Energieverbrauch bei einer voll besetzten Dialyseschicht?
- Wie viel Platz gibt es überhaupt auf dem Dach, welches für solch eine Anlage zur Verfügung steht?
- Wie viel ist man bereit, mehr an kWp (Kilowattpeak = Nennleistung einer PV-Anlage bei Standardbedingungen) zu installieren als man als Energielast eigentlich maximal pro Stunde benötigt?
All diese Überlegungen führten in unserem Fall zu der Entscheidung, bei einer Spitzenlast von 55 kWh eine Anlage mit 80 kWp zu verbauen. Das ursprüngliche Ziel war, die Anlage so auszulegen, dass bei der PV-Peak Leistung mindestens 20 % mehr erreicht wird als die Spitzenlast pro Stunde ausmacht (demnach also mindestens 66 kWp). Da die Photovoltaikmodule im Verhältnis zur Gesamtinstallation pro Peak allerdings vergleichsweise günstig sind, haben wir uns – gerade auch weil es die Dachfläche erlaubte – zukunftsweisend für eine etwas größere Anlage entschieden (Abb. 1).
Welche Ausrichtung ist für eine Dialyse sinnvoll?
Nach der Größe stellte sich die Frage nach der Ausrichtung. Oft hat man hier keine Wahl, im Fall unseres Flachdaches waren wir allerdings in der luxuriösen Situation, uns mit zwei Aufstelloptionen beschäftigen zu können: entweder Süd oder Ost-West. Die Zusammenarbeit mit einem guten Solateur ist an dieser Stelle äußerst empfehlenswert. Unser Experte simulierte basierend auf unseren lokalen Gegebenheiten beide Optionen (Abb. 2 und Abb. 3).
Hauptentscheidungskriterium war der Versuch, den Eigenverbrauch zu optimieren. Der Stromverbrauch eines Dialysezentrums ist recht gleichmäßig über den ganzen Tag verteilt, und so konnte mit Hilfe der Simulation ermittelt werden, dass die Ost-West Ausrichtung für diesen Lastgang besser geeignet ist, da sie uns ermöglicht, mehr Energie aus der PV-Anlage selbst zu nutzen. Dies zeigt sich am Autarkiegrad von 33 % (Ost-West) gegenüber 31 % (Süd), was immerhin einer absoluten Erhöhung des Eigenverbrauchs von 3.300 kWh entspricht.
Amortisationsrechnung basierend auf realen Daten sogar noch attraktiver als Simulationsrechnung
Im Vorfeld der Installation der Photovoltaik gab es selbstverständlich einen weiteren wichtigen Punkt zu klären, nämlich ab wann sich die Anlage finanziell lohnt bzw. amortisiert hat.
Mit dem Wissen über unseren jährlichen Stromverbrauch (165.000 kWh), dem anvisierten Anteil des selbst produzierten Stroms von 33 % und einem aus unserer Sicht realistischen Strompreis von 0,32 € / kWh, konnten wir eine einfache Rechnung aufstellen (Abb. 4).
Den Investitionskosten der Anlage von 110.000 € haben wir die zu erwartenden jährlichen Ersparnisse bei den Stromkosten von 17.424 € gegenübergestellt. Da davon ausgegangen werden kann, dass solch eine Anlage geringe Wartungskosten mit sich bringt, wurden diese bei der Betrachtung vernachlässigt. So kamen wir zu dem Ergebnis, dass bereits nach 6 Jahren und 4 Monaten der Preis der Anschaffung wieder eingebracht sein sollte.
Abb. 4 Amortisationsberechnung der PV-Anlage Dialyse Emsdetten bei Ost-West-Ausrichtung
Schließlich wurden die Solarpanele auf unserem Dach in Emsdetten installiert und die Anlage ging im Dezember 2022 in Betrieb.
Dies erlaubt uns nun, die Amortisationsrechnung (Abb. 4) mit echten Daten (Stand Anfang Mai 2023) aus dem Dialysezentrum auf den Prüfstand zu stellen. Wie bereits erwähnt, haben die von uns erfassten Daten zum jährlichen Stromverbrauch über die letzten Jahre hinweg eine hohe monatliche Reproduzierbarkeit gezeigt und beliefen sich auf die besagten ~165.000 kWh / Jahr. Aufgrund des Kriegs in der Ukraine und der damit verbundenen Energiekrise haben wir es geschafft, den Stromverbrauch durch eine gezielte Verbrauchsoptimierung um ~2.000 kWh / Monat zu reduzieren. Extrapoliert führt dies ab 2023 zu einem Verbrauch von nur noch ~140.000 kWh / Jahr.
Die Abbildung 5 zeigt den Verlauf des reduzierten monatlichen Stromverbrauchs (gelbe Balken). Die grüne Linie verdeutlicht, wie viel weniger kWh wir im 1. Quartal 2023 nach Inbetriebnahme der Photovoltaikanlage aus dem öffentlichen Netz bezogen haben.
Die Daten von Januar bis einschließlich April zeigen auf, dass wir im Zentrum in Emsdetten mit Hilfe der neuen PV-Anlage bereits in den ersten, eher sonnenarmen Monaten des Jahres fast 30 % unseres Strombedarfs selbst abdecken können. Von den gewöhnlich eher sonnigen Monaten Mai bis August liegen bislang keine Daten vor. Dennoch habe ich mir erlaubt, gerade auch weil unser Solateur die Erträge erstaunlich gut berechnet hat, eine Prognose für das gesamte Jahr 2023 abzugeben (Abb. 6).
Hieraus ergibt sich, dass wir voraussichtlich über 40 % unseres jährlichen Stromverbrauchs über die PV-Anlage werden abdecken können. Mit diesen auf echten Daten beruhenden neuen Erkenntnissen über den höheren Autarkiegrad (41 % vs. 33 %) und über den gesunkenen Gesamtverbrauch (140.000 kWh vs. 165.000 kWh) lohnt es sich, die Amortisationsbetrachtung zu aktualisieren (Abb 7). Tatsächlich zeigt sich, dass der break-even point der Investition nun bereits nach 6 Jahren erreicht ist, also 4 Monate früher als in der ursprünglichen theoretischen Berechnung. Wenn man nun bedenkt, dass eine Photovoltaikanlage gut und gerne 20 Jahre lang in Betrieb ist, wird schnell klar, dass dies eine sehr lukrative Geldanlage ist, die ab dem siebten Jahr zuverlässig unsere Betriebskosten senken wird.
Abb. 5 Lastgang mit PV-Eigenverbrauch für Januar – April 2023 mit gemessenen Werten
Abb. 6 Prognose für das gesamte Jahr 2023 auf Basis von Berechnungen sowie den gemessenen Werten Januar – April 2023
Die Fläche unter der Stromeinspeisungskurve (rot) in Abbildung 6 summiert sich aufs Jahr gesehen auf voraussichtlich 17.200 kWh. Dieser Überschussstrom wird wie Anfangs beschrieben zum Nulltarif ins örtliche Stromnetz eingespeist. Dies ist einerseits eine einfache Lösung, da steuerliche Hindernisse vorausschauend umschifft werden. Andererseits steckt in diesen 17.200 kWh das Potential, den Eigenstromverbrauch und damit unseren Autarkiegrad zu erhöhen.
Erste Überlegungen in diese Richtung haben zwei Stoßrichtungen:
- Verwendung des Stroms für das Überschussladen von zentrumsassoziierten E-Autos und
- die Speicherung von Energie zum späteren Verbrauch.
Beim Thema E-Mobilität prüfen wir gerade, wie die Fahrzeug Flotte entsprechend umgestellt werden kann. Das Laden sollte selbstverständlich dann durchgeführt werden, wenn der Stromüberschuss vorhanden ist.
Unser Ziel: Nulleinspeisung und Erhöhung des Eigenverbrauchs
Abb. 7 Amortisationsberechnung der PV-Anlage Dialyse Emsdetten nach Inbetriebnahme mit gemessenen Werten
Bei der Speicherung von Energie sehen wir bislang davon ab, teure Batteriespeicher anzuschaffen. Alternativ planen wir stattdessen, mit Hilfe von Sektorenvernetzung solare Energie in Prozesswärme umzuwandeln und als warmes Wasser zwischenzuspeichern, welches dann, sobald die Dialysebehandlung beginnt, in den Betrieb eingebracht werden kann.
Mit den hier beschriebenen ersten Ergebnissen zur Photovoltaik in der Dialyse steht für uns in den Nephrologischen Zentren Münsterland fest, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Als nächsten Schritt werden wir evaluieren, welche weiteren Standorte bald ebenso von einer Photovoltaikanlage profitieren können.